Wer steckt zurück, wenn Kinder kommen oder die Familie wächst? Die Studie „Kind und Karriere. Vereinbar für alle?“ (2023) der Internationalen Hochschule Erfurt zeigt, wie Männer und Frauen in Deutschland Elternzeit nehmen sowie Familie und Beruf organisieren. Zentrale Ergebnisse: Frauen stellen ihre Karriere häufiger hinten an als Männer. Fast jede fünfte Frau gibt an, ihre beruflichen Ziele durch die Geburt von Kindern bzw. aufgrund von Elternschaft verändert zu haben.
Auch bei der Aufteilung der Kinderbetreuung sind die Unterschiede zwischen den Geschlechtern laut Studie groß: Viele Frauen leisten nach eigenen Angaben den überwiegenden Teil der Fürsorgearbeit. 30,2 Prozent der Frauen sagen sogar: Ich übernehme die Fürsorgearbeit komplett. Was tut die AWO als Arbeitgeber, um Frauen in ihrer Rolle als Arbeitnehmerin durch die Familienphase zu begleiten?
Jede*r Arbeitnehmer*in hat neben dem Beruf auch Hobbies und Haustiere, Kinder und zu pflegende Angehörige oder gesundheitliche Herausforderungen. Auf Grundlage ihrer Werte bemüht sich die AWO als Arbeitgeber, die Situationen und Bedürfnisse aus dem Privaten und dem Beruflichen in Einklang zu bekommen.
Neben den AWO-Werten Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Solidarität und Toleranz finden sich auch im AWO-Grundsatzprogramm hierzu wichtige Hinweise für Entscheider*innen. Werte und Grundsatzprogramm bilden die Basis für Lösungsansätze, vor allem, wenn berechtigte Interessen aufeinandertreffen und abgewägt werden wollen.
In diesem Text soll die Familienphase herausgegriffen werden aus einer Vielzahl an Situationen, die Arbeitnehmer*innen und die AWO als Arbeitgeber im besten Fall gemeinsam bewältigen.
Kinder und Arbeitsverpflichtungen
In der Familienphase geht es darum Kinder zu betreuen bzw. ihre Betreuung zu organisieren. Dabei gilt es zu reagieren auf Unvorhergesehenes wie Krankheiten oder andere Ausfälle, oder auf Vorhersehbares wie den Wechsel von der Krippe in den Kindergarten und in die Schule. Solche Momente können für Familien stressig werden, insbesondere wenn eine nahtlose Kinderbetreuung nicht sichergestellt ist.
Denn während Arbeitsverträge im besten Fall unbefristet sind und ohne Unterbrechung weiterlaufen, gestaltet sich die Begleitung von Kindern durch verschiedene Lebensphase selten linear. Dazu gehört zum Beispiel zu eruieren, wie lange Kinder außerhalb der Familie betreut werden sollen (und können) und welchen Betreuungspart die einzelnen Familienmitglieder übernehmen können (und wollen). Solche Konstrukte bestehen häufig aus vielen Beteiligten innerhalb und außerhalb der Familie. Im besten Fall greift ein Rädchen ins andere und das Uhrwerk „Familie“ läuft und läuft und läuft.
Wenn sich Verantwortlichkeiten ändern
Das Miteinander in der Familie kann sich auch grundlegend verändern. Fallen Betreuungspersonen weg, warum auch immer, gerät das Konstrukt aus unbezahlter Fürsorge- und bezahlter Erwerbsarbeit ins Schwanken.
Dann stehen häufig vor allem Frauen vor der Herausforderung, die Betreuung ihrer Kinder neu zu organisieren und sich selbst in bezahlte Lohnarbeit zu bekommen. Letzteres fällt vor allem schwer, wenn sie eine längere Zeit komplett aus dem Job heraus waren. Die Betreuung von Kindern gilt bei vielen Arbeitgebern immer noch als Lücke im Lebenslauf und nicht als Qualifikation in Organisations-, Konflikt- und Haushaltsmanagement.
Zudem verpassen Frauen in der Elternzeit Gehaltserhöhungen aufgrund von fehlender Betriebszugehörigkeit. Sie steigen mit einem niedrigeren Gehalt entsprechend ihrer Berufserfahrung wieder in den Beruf ein – wenn es denn überhaupt klappt mit dem Wiedereinstieg. Laut einer Online-Befragung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes 2022 berichten über zwei Drittel der Mütter beim Wiedereinstieg nach der Elternzeit von negativen Erfahrungen mit dem Arbeitgeber.
Wiedereinsteigerinnen bei der AWO
Für die AWO sind Wiedereinsteigerinnen interessante Arbeitskräfte. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels macht sie sehr viel möglich, um Kolleginnen, die Mutter geworden sind, wieder ins Team zu holen: beispielsweise mit einer Vielzahl von Teilzeit- und Schichtmodellen.
Geht eine Frau nach der Elternzeit wieder arbeiten, hat das Auswirkungen auf ihr privates und berufliches Umfeld: sowohl auf die Familie als auch auf das Team im Job. Zuhause übernimmt sie mit Beginn einer Tätigkeit weniger Betreuungszeiten, im Job übernimmt sie neue Aufgaben. Im besten Fall bleibt das Volumen der Aufgaben insgesamt gleich. Im schlechten Fall verdichten sich die täglichen Aufgaben. Ein schnelles Umschalten von der Rolle in der Familie und im Beruf ist dann nötig und kann herausfordernd sein.
Die Zeit wird neu aufgeteilt in Zeiten der Berufstätigkeit und Zeiten der Fürsorgearbeit. Das kann gut klappen, zum Beispiel wenn beide Tätigkeiten klar voneinander abgegrenzt sind und im besten Fall Zeitpuffer bestehen. Was jedoch tun, wenn zum Beispiel die Kita geschlossen ist oder im Job unaufschiebbare Arbeit ansteht?
Viele Tätigkeitsfelder bei der AWO Über diese und weitere Fragen der Vereinbarkeit haben wir mit Katharina Egwolf gesprochen, die seit 2007 bei der AWO tätig ist. Sie kam als junge Frau als Praktikantin zum Bezirksverband Oberbayern, arbeitete während ihres Studiums in der Hauptverwaltung im Qualitätsmanagement, wurde Assistenz der Geschäftsleitung, Referentin beim Landesverband Bayern, war Einrichtungsleitung des Seniorenwohnparks und der Sozialtherapeutischen Einrichtung in Dießen und ist momentan in der Fachabteilung Altenhilfe in der Hauptverwaltung des Bezirksverbands in München tätig.
Sie kennt die Vielfalt der AWO: die bunten Tage in der Einrichtung, den Kontakt zu Bewohner*innen, Angehörigen und Mitarbeitenden, die Begleitung der Kolleg*innen in den Einrichtungen auf Trägerebene bis hin zur politischen Arbeit beim Landesverband und der Frage, wer heute im Ministerium die AWO vertritt.
Vertrauen und Flexibilität
Katharina Egwolf steht exemplarisch für viele Frauen in der AWO, die Beruf und Familie vereinbaren wollen. Als Einrichtungsleitung in Elternzeit kennt sie auch die Arbeitgeberseite und die intensive Organisation, der es bedarf, wenn mit Mitarbeitenden unterschiedlichste Arbeitsmodelle ausgehandelt werden. Sie weiß auch: Sowohl auf Arbeitnehmer- als auch auf Arbeitgeberseite gibt es kein Patentrezept, um Vereinbarkeit möglich zu machen.
Gute Zutaten, damit es klappen kann, sind Flexibilität, Vertrauen und das Bewusstsein für Rahmenbedingungen – am besten von allen Beteiligten. Vertrauen bildet die Grundlage dafür, dass alle daran glauben, gemeinsam eine Lösung zu finden. Flexibilität ist beispielsweise gefragt, wenn es um die Zeit und – je nach Tätigkeit bzw. Funktion – den Ort und den Inhalt der Tätigkeit geht. Rahmenbedingungen auf Arbeitgeberseite sind beispielsweise Betreuungsschlüssel, Fristen oder feste Termine sowie auf Arbeitnehmerseite Öffnungszeiten einer Kita oder Erholungsphasen außerhalb von Job und Familie.
Individuelle Lösungen
Katharina Egwolf ist froh, dass der Bezirksverband ihr aktuell eine Beschäftigung während der Elternzeit in der Hauptverwaltung in Teilzeit ermöglicht. Hier verspürt sie eine geringere Verantwortung im Vergleich zur Funktion als Einrichtungsleitung. Dadurch kann sie ihr Familiensystem erproben und gleichzeitig an den fachlichen Entwicklungen in der Pflege dranbleiben. In der Art der Tätigkeit unterscheiden sich die Trägerebene und die Einrichtungsebene: Die einen arbeiten ganz nah dran am Leben. Die Kontakte zu Klient*innen und Angehörigen sind eng. Die Selbstwirksamkeit ist unmittelbar spürbar, die Dankbarkeit der Betreuten ebenfalls. Eine Tätigkeit auf Trägerebene beschränkt sich vor allem auf Schreibtisch- und Computerarbeit. Diese kann zum Teil auch Zuhause erledigt werden. Seit der Corona-Pandemie macht es das mobile Arbeiten möglich.
Katharina Egwolf ist fachlich breit aufgestellt. Ihre Ausbildung ermöglicht ihr sowohl eine Tätigkeit in einer Einrichtung als auch auf Trägerebene. Ihr Schreibtischjob in Teilzeit in Elternzeit ist für sie gerade eine gute Lösung, um den beruflichen Anforderungen, den familiären und persönlichen Ansprüchen mehr oder weniger gerecht zu werden. Sie weiß jedoch, dass 2026 nach ihrer Elternzeit die nächste Entscheidung ansteht. Dann stellt sie die Weichen neu. Schon heute sieht sie die Vor- und Nachteile beider Tätigkeiten. Zu gegebener Zeit wird sie – gemeinsam mit ihrer Familie und ihrem Arbeitgeber – ihren ganz persönlichen Weg verhandeln. Auf Grundlage der AWO-Werte und mit den besten Zutaten für die Vereinbarkeit: dem Bewusstsein für Rahmenbedingungen sowie Vertrauen und Flexibilität.
Text: Linda Quadflieg
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